Osnabrück. Auf Einladung des Ethikkommitees der Niels-Stensen-Kliniken hat Dr. Leyla Fröhlich-Güzelsoy über den Umgang mit Patienten und Bewohnern aus dem islamischen Kulturraum informiert. Die Expertin für transkulturelle Medizinethik, islamische Medizinethik und Bioethik sowie patientenorientierte Medizinethik ging unter anderem auf besondere Erwartungshaltungen von Migranten, unterschiedliche Körper- und Schmerz-Wahrnehmungen, kulturelle Rollenmodelle sowie den Umgang mit Krankheit- und Therapiezieländerungen ein. Menschen anderer Kulturen seien es zum Teil nicht gewohnt, sich von Fremden pflegen zu lassen, da diese Rolle daheim ihre Familie übernehme, auch im Krankenhaus. Ein Moslem wasche sich in Pflegeeinrichtungen möglichst selbst, meist mit fließendem Wasser. Auch die Grenzen des Schamgefühls seien kulturell unterschiedlich, so die Ärztin am Klinikum Nürnberg. Die oft hohe Besucherzahl am Bett muslimischer Patienten sei manchmal ungewohnt. Wenn Muslime schwer krank seien, wollten sie nicht unerledigt gehen und viele Gespräche führen. Es sei zudem muslimische Pflicht, den Sterbenden zu begleiten. Und schließlich sage es etwas über den Status des Kranken aus, von wie vielen Menschen er begleitet werde. Auch auf den Fastenmonat Ramadan ging die Referentin ein: Fastende Patienten stellten weniger eine Herausforderung dar als fastende Mediziner. Kranke, Kinder, Stillende, Schwangere sowie Reisende dürften nicht fasten. Schwierig sei die Etablierung von Patientenverfügungen bei Muslimen. Denn sie glaubten, dass jede Krankheit in ihrer Ursache heilbar sei, so dass lebenszeitlimitierende Therapiezieländerungen nur schwerlich angenommen würden. Wenn der Patient so sehr leide, dass er an Gott zweifele und seine Frömmigkeit unter den Qualen verloren zu gehen drohe, dann dürften nach muslimischer Ethik zwar lebenszeitlimitierende Therapien durchgeführt werden, dies werde aber in der islamischen Welt nach wie vor durchaus kontrovers diskutiert. Die Referentin ging detailliert auf noch viele weitere Sitten und Gebräuche ein. Gerade in puncto Ernährung, Körperpflege und Sterbebegleitung gebe es zahlreiche Unterschiede, die sie an Beispielen deutlich machte. Auch wenn Pflegende meinten, sich mit den jeweiligen Gepflogenheiten auszukennen, sei eine Nachfrage oft hilfreich, da es individuelle Unterschiede gebe, sagte Dr. Leyla Fröhlich-Güzelsoy, denn es handele sich bei Muslimen ebenso wenig um einen monolithischen Block wie bei Angehörigen anderer Religionen. Sie riet, das zu tun, was von Herzen komme, nicht zu verkrampfen, Mensch zu sein und Mitgefühl zu zeigen. Kleine Gesten könnten dabei schon helfen, Wertschätzung gegenüber den Menschen anderer Kulturen zu signalisieren. Ein freundliches Lächeln verstehe jeder. Kultursensible Kommunikation lässt sich letztlich herunterbrechen auf eine Handlung: Anstatt zu mutmaßen sollte interessiert nachgefragt werden. Prof. Dr. Christoph Greiner, Vorsitzender der Ethikgruppe am Marienhospital Osnabrück, dankte der Referentin für ihre umfassenden und hilfreichen Ausführungen.
„Nicht gewohnt, sich von Fremden pflegen zu lassen“
MHO - Marienhospital Osnabrück